Motorradtouren durch die Provence

So vielfältig wie die Provence ist, so abwechslungsreich ist auch der Motorradurlaub. Neben zahlreichen kurvenreichen Strecken, Pässen und Tunnels, fährt man auf langen Straßen, entlang an Weinbergen und Lavendelfeldern, von einem malerischen Ort zum nächsten. Begeisterte Motorradfahrer und Leser von Provence.de teilen hier ihre Eindrücke und Touren mit.


Motorradtour durch die Haute-Provence

Das Départment Alpes-de-Haute-Provence befindet sich im sonnigen Südosten Frankreichs. Auf engem Raum entdeckt man hier unterschiedlichste Landschaften: schroffe, bizarre Gebirgszüge mit wild zerklüfteten Schluchten, sanfte Hügelketten und weite Ebenen, dichte Wälder, karge Plateaus, Weinberge, Olivenhaine und Lavendelfelder.

Inmitten dieser grandiosen Landschaft liegt das Städtchen La Motte du Caire im idyllischen Vallée du Grand Vallon und umgeben von großen Obstplantagen unsere Unterkunft “Maison Saint Georges” in einem Garten mit altem Baumbestand.


Lavendel - das "blaue Gold" der Provence

Blau-violette Lavendelfelder sind im Juli/August das herausragende Merkmal der Provence. Ohne die blauen, bis zum Horizont verlaufenden Felder, welche Dörfer und Landschaften mit ihrem Duft überziehen, ist die Provence kaum vorstellbar. "Lavendel ist die Seele der Provence" hat es einst der südfranzösische Schriftsteller Jean Giono formuliert und es gibt wohl keine andere Pflanze, die so stark mit der Provence verbunden wird.

Unsere heutige Tour führt die beste Sozia der Welt und mich auf der „Route de Lavende“ durch verträumte, kleine Dörfer zum Plateau de Valensole im Parc naturel régional du Verdon. Hier erwarten uns, eingerahmt von Korn- und Sonneblumenfeldern, unendliche Lavendelfelder.

Über Digne-Les-Bains, durch das Val d’Asse, erreichen wir Riez. Hier finden sich noch Reste römischer Säulen eines Apollotempels aus dem 1.Jh.

Am Schloss in Allemagne en Provence vorbei, einem kleinen Dorf, das trotz des Namens wohl nichts mit Deutschland zu tun hat, führt uns die winzige D15 in die bewaldeten Hügel. Sie wird immer schmaler bist zur Breite eines asphaltierten Feldwegs und steigt dann in einigen Kurven weiter an. Steineichen, Olivenhaine und Weinreben begleiten uns auf unserer einsamen Fahrt. Über allem das unaufhörliche Zirpen der Zikaden. Laut und kraftvoll, manchmal leise und unaufdringlich. Aber wo bleibt der Lavendel? Da, endlich, ganz in der Ferne sehe ich einen blauen Farbtupfer. Und noch einen. Und plötzlich, nach einer Kurve, liegt es in seiner ganzen Pracht vor uns: ein riesiges Feld, in dem sich der Lavendel in üppigen Bändern bis zum Horizont zieht. Auch die Hintergrundmusik verstummt. In der gleißenden Mittagsonne summen hunderttausende Bienen und Hummeln. Schwärme weißer Schmetterlinge tanzen um die Blüten. Traumhaft !!!

An manchen Stellen sitzen (!) japanische Touristen zwischen den Lavendelbüschen und lassen sich fotografieren. Nur die Köpfe schauen heraus. Ein Anblick zum Schmunzeln. Ein intensiver Lavendelduft findet schnell seinen Weg unter unsere Motorradhelme. Die Sonne brennt unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel. Die Füße beginnen in den Motoradstiefeln zu köcheln. Es wird Zeit, weiterzufahren.

Kurz darauf stoßen wir am Col de Puimichel (880 m) auf weitere Lavendelkulturen. Ganze Bergkuppen sind hier blau überzogen. Ein grandioser Anblick, der uns immer wieder zu einem Fotostopp zwingt.

Am späten Nachmittag machen wir noch einen kurzen Abstecher auf den Hausberg von La Motte du Caire in Valavoire. Auf 8 km erwarten uns hier eine winzige Straße, die sich in 75 (!) Kurven den Berg hinaufwindet. Vom Gipfel haben wir einen tollen Blick auf das Vallée du Grand Vallon zu unseren Füßen.


Mont Ventoux - der "Riese der Provence"

Die Sonne strahlt von einem azurblauen Himmel. Temperaturen zwischen 21 u. 25°.; Windstille. Ideale Bedingungen, den Riesen der Provence zu besuchen, der einsam im Département Vaucluse liegt. Kleine Nebenstraßen führen uns durch die Hügellandschaft des Valle du Jabron, südwestlich von Sisteron nach Westen.

Über den Col de la Pigière (968) und den Col du Négron (1.242) erreichen wir das Lavendeldorf Sault, auf einem Felsvorsprung mitten im Lavendelland gelegen. Dann taucht er auf, überragt die Ebene mit seinen 1.912 Metern, der „Géant de Provence“ und heilige Berg der Kelten: der Mont Ventoux. Der kahle Gipfel leuchtet weiß im Sonnenschein, als läge Schnee auf dem Bergrücken. Ein riesiges Kalkschotterfeld, auf dem praktisch nichts wächst.

Am Südhang am Südrand des Mont Ventoux schlängelt sich das Asphaltband durch Aprikosenhaine, Weinhänge und Steineichenwälder bis kurz unter die Baumgrenze. Ab hier ändert sich die Landschaft total. Der Wald weicht bis hinauf zum Gipfel, einer kahlen Steinwüste. Breit zieht sich jetzt die Straße in endlosen Kurven die letzten 5 km dem Ziel entgegen. Es ist ein unglaublicher Ritt der uns auf den Berg führt, intensiv für alle Sinne. Immer wieder begegnen uns Radfahrer auf ihrem Weg zum Gipfel. Die kurvenenreiche Strecke ist beliebt bei allen, die ein bisschen Tour-de-France-Feeling suchen.

Die Mondlandschaft des Mont Ventoux übt einen großen Reiz auf die Besucher aus und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Oben angekommen erwarten uns daher Verkaufsstände und ein Gewusel von Menschen. Dafür ist die Aussicht unglaublich. Vom höchsten Punkt aus, an dem auch das Observatorium steht, haben wir eine fantastische Rundumsicht von den Pyrenäen bis zu den Alpen.

Für die Abfahrt nehmen wir die 22 km lange Nordroute nach Malaucène. In zahlreichen Kurven geht es ins Tal hinab. Immer wieder weitet sich die Sicht ins Rhônetal. Wir biegen auf die kleine Route de Beaumont ab und erhaschen unterwegs letzte Blicke auf den Mont Ventoux.

Unsere Honda Silver Wing 600 gleitet durch die Gassen des Örtchens Montbrun-les-Bains, eines der schönsten Dörfer zwischen Sisteron und Avignon, dessen kleine Häuser wie Orgelpfeifen an den steilen Felshängen kleben und wir wedeln noch einmal im Kurvenrausch durch die Gorges de la Méouge, eine wildromantische Schlucht aus graubraunem Kalkgestein mit kurzen, in den Fels gehauenen Tunneln, ehe wir wieder in La Motte du Caire einrollen.


Durch die "Montagne du Lubéron"

Unsere heutige Tour führt uns durch die Landschaft des Lubéron, einen ca. 60 km langen Bergrücken (727 - 1.124m) und den Parc Naturel régional du Lubéron. Üppige Natur wie Pinienwälder und Weinfelder aber auch zerklüftete Felsen und karge Gipfel prägen das Landschaftsbild. Dazwischen malerische Dörfer, die sich an Felshänge schmiegen.

Manosque und Pertuis sind unsere ersten Stationen, ehe wir in Ansouis in Sichtweite des Château du Ansouis, unter uralten Platanen eine Mittagspause einlegen. Der Balzgesang von gefühlten Millionen von Zikaden ist ohrenbetäubend. Wie halten die Dorfbewohner das nur aus !?!? Den vorzüglichen Geschmack des frischen Salats mit rohem Schinken und warmem Ziegenkäse mindert der Lärm dennoch nicht.

Die Temperatur steigt. Die Hitze senkt sich bleischwer herab. 38° Grad werden angezeigt. Also wieder auf den Motorroller geschwungen und den - zugegeben warmen - Fahrwind genossen. Kleine Nebenstraßen, auf denen der Teer gelegentlich zu entkommen versucht, führen uns über Loumarin (ältestes Renaissanceschloss der Provence), Lacoste (u.a. bekannt durch das oberhalb des Ortes liegende ehemalige Schloss des Marquis de Sade), Menerbes (Abbaye de Saint-Hilaire) nach Gordes, Wie ein Adlerhorst thront die kleine Stadt mit ihren engen Gassen und hohen, schmalen Häusern malerisch hoch über dem Tal des Calavon auf dem Berg, überragt vom trutzigen „Chateau de Gordes“.

Wenige Kilometer weiter liegt versteckt in den Hügeln und nur durch eine schmale Zufahrtsstraße zu erreichen das 1148 gegründete Zisterzienserkloster Notre-Dame de Sénanque. Das Leben wird hier noch nach dem Jenseits und der Lavendel nach Süden ausgerichtet. Die Strenge des Bauwerks entspricht dem Geist des Ordens, nach dem die Gebäude völlig schmucklos sein müssen, um die Mönche nicht vom Wesentlichen abzulenken. Das Kloster ist ein Fotomotiv par excéllence und ein Wahrzeichen der Provence. Mit der Stille vergangener Zeiten ist es allerdings vorbei. In der Hochsaison herrscht im Kreuzgang Rushhour.

Auf der Rückfahrt machen wir noch eine Rast in Apt, der „Welthauptstadt der kandierten Früchte“ und einer der frühesten Bischofssitze der Region. Apt liegt umgeben von Obstplantagen und Rebflächen an der „Via Domitia“, der alten Römerstraße von Mailand nach Arles. Wir bummeln noch ein wenig durch die hübsche Altstadt, genießen einen großen Café au lait, dann führen uns kilometerlange, alte Platanenalleen zurück.


Rund um den "Lac de Serre-Ponçon"

Der Lac de Serre-Ponçon, Europas größtes Kunstgewässer, wurde 1960 geflutet und erstreckt sich über 3.000 ha. Zwischen Espinasses und Embrun ist der See 20 km lang und kann ca. 1.3 Mio. m³ Wasser aufnehmen, die von einem mächtigen Staudamm gebändigt werden. Entlang des Sees verläuft eine malerische Straße, die ihn fast in seiner Gesamtheit umfährt. Auf der kurvenreichen Strecke ergeben sich uns immer wieder atemberaubende Aussichten auf idyllisch gelegene, malerische Buchten, das türkisblaue Wasser und ein sonnenverwöhntes Bergpanorama im Hintergrund. Einige Aussichtspunkte zwingen uns einen Halt förmlich auf. In zahlreichen Windungen folgt die gut befahrbare Straße dem Berghang über dem fjordartigen Ufer des Sees, scheint sich zu entfernen und in den umliegenden Bergen zu verschwinden, um dann nach der nächsten Kurve vor einem prachtvollen Seepanorama wieder hoch über dem See aufzutauchen.

In der südalpinen Festungsstadt Embrun am Nordostufer des Sees gönnen wir uns und der Siwi eine Pause. Ein Baguette und der obligatorische Café au lait für uns und einige Tropfen Öl für den Roller. Tipp: Sehenswert ist der mittelalterliche Wehrturm Tour Brune (die Aussicht entschädigt für 132 beschwerliche Treppenstufen) und die freskengeschmückte Kirche Notre-Dame du Réal aus dem 12. Jh., eine provençalische Pfeilerbasilika mit einer der ältesten Kirchenorgeln von Frankreich (15. Jh.). Wir verlassen Embrun in südliche Richtung und riskieren dabei nochmals einen Blick zurück. Die Silhouette der Stadt auf ihrer Felsterrasse hoch über der Durance ist herrlich. Dann kommt uns auch gleich wieder der Lac de Serre Ponçon ins Blickfeld.

Im Örtchen Savines-les-Lac am Ufer des Sees biegen wir auf die D954 und D7 ab. Die kleinen Sträßchen sind kaum befahren und das Kurvenwedeln ist Fahrspass pur.

Hoch über dem See stoßen wir auf eine ganz und gar ungewöhnliche Besonderheit der Natur: die Erdpyramiden /Feenkamine Demoiselles Coiffèes. Diese sind durch Verwitterung entstanden, wobei die Hüte durch festere Gesteinsschichten gebildet werden, so dass die Witterung nur die ungeschützten Bereiche erodiert. Leider hat sich am Fuße der Pyramiden ein großer Souvenirstand breitgemacht.

Zurück am Ufer des Stausees machen wir beim Weiler Greolier noch einen Abstecher auf der D900c in die (Schlucht) Georges de la Blanche. Erst geht es auf schmalster Straße den Abgrund entlang; dann weitet sich die Schlucht zum Tal und vor uns liegen weite, hellrote Mohnfelder in der Nachmittagssonne der Haute-Provence. Ein traumhafter Abschluss der heutigen Tour.


Col de la Bonette und Col de la Lombarde

Die nördliche Auffahrt zum „Dach der Alpen“ beginnt im Ubaye-Tal von Jausiers. Direkt am Ortsausgang beginnt sich das Asphaltband im stetig enger werdenden Tal kurvenreich himmelwärts zu schrauben. Auf ca. 2.600 m Höhe erreichen wir bei Km 20 die Überreste derCasernes de Restefond“, eine alte Festungsanlage. Die Gegend war jahrelang ein umkämpftes Grenzgebiet zu Italien. Die Straße zieht sich weitere 2 km am Berghang entlang, und wir passieren den zwischengelagerten Col de Restefond (2.680). Die grünen Berghänge haben hier längst einer kargen, braunen und felsigen Hochalpenlandschaft Platz gemacht. Es wird spürbar kälter. Über dem vor uns liegenden Berggipfel hängt eine dunkle Wolkenwand und der Wind nimmt stetig zu. Jetzt nur kein Regen ! Endlich ist der Pass (2.715) erreicht. Von hier oben haben wir einen atemberaubenden Rundblick über den Nationalpark Parc National du Mercantour, den die Passstraße im weiteren Verlauf durchquert. Auf die Klettertour hinauf zur Cime de la Bonette (2.802) verzichten wir heute, da der Wind mittlerweile gefühlte Sturmstärke erreicht hat und unsere Silver Wing kräftig durchschüttelt. Gemütlich ist anders! Noch schnell ein Gipfelphoto geschossen, dann geht es knapp unterhalb des Kammes den Hang entlang wieder talabwärts. Ich weis nicht, was mir dabei mehr den Atem nimmt; der böige Wind oder der Klammergriff der besten Sozia der Welt.

Die Abfahrt ins Tal der Tinée mit seinen weinroten, steil aufragenden Felswänden wird immer wieder durch kurze Fotostopps unterbrochen. Vor lauter Landschaft genießen kommen wir fast nicht zum Fahren; die Aussicht auf die grandiose Bergwelt ist einfach zu schön.

Im grässlich anzuschauende Wintersportort Isola 2000 - wie kann man hier im Sommer nur freiwillig Urlaub machen - beginnt unser Anstieg zum Col de la Lombarde (2.350). Der Pass markiert die Grenze zwischen dem französischen Département Alpes-Maritimes und der italienischen Region Piemont und verbindet die Täler der Tinée und der Stura di Demonte. Die ersten Kilometer durch das schluchtartige Tal sind steil und kurvenreich, doch unbeeindruckt schraubt sich die Silver Wing aufwärts. Dann weitet sich das Tal mehr und mehr und wir erreichen eine karge Alm mit einem Landschaftsbild der besonders steinigen Art: Fels und Geröll in allen möglichen Farben, rundum schroff dem Himmel zustrebende Berge und mittendrinn: eine Pommesbude !

Langeweile kommt auch bei Abfahrt nicht auf. Schöne Serpentinengruppen machen Fahrfreude. Bis zu 14 % Gefälle und die recht schmale Straße fordern jedoch ständige Konzentration. Vom italienischen Vinadio aus führt uns der Weg über den Col de Larche (frz) bzw. Colle della Maddallena, wie die Italiener ihn nennen. Der Colle della Maddalena ist die erste große Steigungen der legendären Tour de France Etappe Cuneo - Pinerolo von 1949, wo der Italiener Fausto Coppi mit einem Einzelvorstoß von 192 km zu einer Legende wurde. Die gut ausgebaute Straße steigt hinter dem Örtchen Pontebernardo an und führt zu der untertunnelten Gola delle Barricate, um dann Bersezio (1.624 m) und Argentera (1.684 m) zu erreichen. Über 16 Serpentinen drehen wir uns die die Talschlucht von Puriac hoch, dann weitet sich die Straße zu einem Hochplateau, eingebettet zwischen den mächtigen Gipfeln des Tête de Moise (3.104 m) und denen des Tête de l'Enchastraye. Auf der italienischen Seite, knapp unterhalb der Passhöhe, befindet sich der kleine, rund 360 Meter lange Lago della Maddalena (1.974), wo wir in einer kleinen Osteria vor schönstem Bergpanorama noch einen Espresso genießen, ehe es durch das Tal der Ubaye zurückgeht.


Col de Vars

Der relativ wenig bekannte Col de Vars (2.111) zählt zu den 17 Alpenpässen der HochalpenstraßeRoute des Grandes Alpes“. Die Tour de France führte bereits 33 Mal über den Scheitel.

Die 34 km lange Passstraße verläuft von Les Gleizolles im Süden nach Guillestre im Norden und verbindet den Col d'Izoard sowie Col d'Agnel einerseits mit dem Col de la Bonette, Col de Larche, Col de la Cayolle sowie Col d'Allos andererseits.

Der Südanstieg zum Col de Vars stellt keine besonderen Ansprüche an die Fahrkünste eines Flachlandtirolers. Zunächst verläuft die Strecke durch Wald. Nach St. Paul sur Ubaye wird es grau und felsig, dann setzt sich wieder sanftes Grün durch. Immer wieder erhaschen wir unterwegs einen erstklassigen Ausblick in das Tal der Ubaye. Es folgen einige bequem zu fahrende Kurven mit schönen Radius, ehe in Melezen (1.660), der letzte Siedlung unterhalb des Passes, der eigentliche Anstieg von bis zu 12 % beginnt. Auf den letzten 5 km erklimmt die Straße in langen Geraden und einigen wenigen Serpentinen über die Hälfte des gesamten Höhenunterschiedes. Es ist hier so kalt (im Juli!), dass wir unterwegs unsere Regenjacken anziehen, um uns zu wärmen.

Auf der wenig romantischen Passhöhe in einer Art Hochtal ohne größere Aussicht lädt ein kleines Restaurant zur Pause ein. Wir verzichten aber lieber bei diesen Temperaturen auf einen Schattenplatz auf der Terrasse und nehmen den unspektakulären Weg in vielen langgezogenen Kurven nach unten. Dabei passieren wir am Refuge Napoléon, eine der insgesamt 6 Zufluchtsstätten in den französischen Alpen, deren Erbauung auf Kaiser Napoléon zurückgeht, noch einen malerischen Bergsee. 6 Km vor dem Ende der Nordabfahrt tauchen dann noch einige Kehren auf. 8 % Gefälle. Rechts die Felswand, links tut sich eine tief eingeschnittene Schlucht auf. Da kommt Freude auf.

In Guillestre, auf einem 1.000 m hohen Plateau oberhalb der Schlucht des Flusses Guil gelegen, holen wir in der - etwas heruntergekommen wirkenden - Altstadt die verschobene Rast nach. Natürlich Baguette und Café au lait. Tipp: wer noch Zeit hat, sollte von hieraus noch den Col d`Izoard (2.361) mit seinen bizarren Steinpyramiden in Angriff nehmen, den ich bereits 2006 befahren habe; es lohnt sich!

Nachdem wir uns bei Dieter`s traditionellen Grillabend im Maison Saint Georges gestärkt haben, machen wir am späten Abend noch einen kleinen Ausflug nach Sisteron, der „Pforte zur Provence“. Es ist Nationalfeiertag. Als gegen 23.00 Uhr dann das Feuerwerk die Zitadelle über der Stadt in buntem Glanz erstrahlen lässt wissen wir: ja, wir sind angekommen im Land von Wein und Lavendel, von Olivenöl und Ocker!

Unterkunft/Essen: Motorradhotel “Maison Saint Georges” / F-04250 La Motte du Caire
Karte: Michelin Provence-Alpes-Cote d`Azur, ISBN: 9782067148413
Klima: trocken, meistens 25 - 30°

Reisetipp von Ralf Beelitz


Motorradtour Alpes-de-Haute-Provence, Reise I

Die Haute-Provence ist der nördliche, an die Seealpen grenzende Teil der Provence. Die Landschaft ist ein wenig rauer und deutlich weniger besiedelt als die „klassische“ Provence. Natürlich und von der Sonne reichlich bedacht. Tief eingeschnittene Täler und Schluchten wechseln sich hier mit einsamen Hochebenen ab. Der Massentourismus hat das Hinterland der Provence noch nicht erreicht. Vor allem in der Vor- und Nachsaison ist in den zahlreichen Dörfern der Haute-Provence kaum etwas los und die Landwirtschaft bestimmt noch vielfach den Lebensrhythmus der Menschen.

Am späten Nachmittag erreichen wir nach über 1.100 km unser Ziel, das Städtchen La Motte du Caire im idyllischen Vallée du Grand Vallon, einem Tal nordöstlich von Sisteron. Der kleine Ort mit nur 500 Einwohnern ist bekannt für seinen Obstanbau und die Via Ferrata, einen atemberaubenden Klettersteig mit nepalesischer Hängebrücke.

Da meine Frau und ich wieder einmal zu spät gebucht haben, ist natürlich in der Bikerpension Maison St. Georges (Dieter), wo unsere Freunde nächtigen, alles belegt. Wir sind daher auf dem nahe gelegenen Reiterhof La Bâtie Neuve untergekommen, wo ich bereits bei meiner 1. Frankreichtour 2006 genächtigt habe. Unser Zimmer mit Gewölbedecke liegt im ehemaligen Stall und ist urgemütlich. Als wir auf den Hof fahren werden wir schon freudig begrüßt: 2 Hunde, 3 Katzen und 1 kleines Hängebauchschwein wedeln sofort um uns herum.


Vom Marché de Forcalquier zum Signal de Lure

8.00 Uhr morgens, 6 Grad. Nebel hängt einer dichten Suppe gleich über den Pferdekoppeln von La Bâtie Neuve. Der Roller ist klitschnass vom Morgentau. Also erst einmal ausgiebig frühstücken. Kurze Zeit später hat dann auch schon die Sonne wieder die Oberhand gewonnen und brennt von einem strahlend blauen Himmel. Ideal, um einen Markttag einzulegen. Die Provence ist ohne das Flair seiner zahlreichen Märkte kaum vorstellbar. Es geht daher heute zum Markt nach Forcalquier, der das sonst stille Städtchen rund um den Place du Bourguet mit bunten Farben und tausend Gerüchen in einen fast grenzenlosen Basar verwandelt. Das Städtchen Forcalquier mit etwa 4.000 Einwohnern liegt auf einem Hügel zwischen den Hochebenen des Luberon, der Lure-Berge und dem Fluss Durance, der diese provenzalische Gegend der Lavendelfelder und Olivenhaine geprägt hat. Es herrscht bereits reges Treiben, als ich meine Silver Wing 600 am Straßenrand abstelle. Ein verwirrendes Duftgemisch von Gewürzen, Lavendelseife, Honig, kandierten Früchten, Käse, Oliven, Knoblauch und Salami empfängt uns. Unzählige Obst-, Wein- und Gemüsestände neben Schmuck, Kleidern, Keramik, Kunst- und Gebrauchsgegenständen, locken Touristen wie Einheimische gleichermaßen an. Es ist einfach herrlich, hier durch die Gassen zu bummeln. Auch wir versorgen uns für die weitere Tour mit Ziegenkäse, herzhafter Salami und natürlich Baguette. Dann geht es auf der winzigen D12 weiter nach Norden, in die Montagne de Lure. Die Silhouette des langen Gebirgskamms liegt eindrucksvoll vor uns. Kaum besiedelte Hänge, die dem starken Wind ausgesetzt sind.

Vom beschaulichen St. Etienne-les-Orgues schlängelt sich das schmale Teerband recht unspektakulär in immerhin 20 Kehren und vielen teils unübersichtlichen Kurven über den Südhang die Bergkette hinauf, wo uns eine recht karge Gipfelregion erwartet. Am 1.745 m hohen Signal de Lure werden wir dafür mit einem großartigen Rundblick belohnt, der 300 km weit über den Monte Viso (3.148), den Mont Pelvoux (3.946), das Vercors (2.350), die Cévennes (1.600) und den Mont Ventoux (1.912) reicht. Wer noch höher hinauf will, erreicht nach einem kurzen Fußweg und weiteren 80 Höhenmetern den vegetationslosen Gipfelgrat des Sommet de Lure mit seinem imposanten Funkturm. Wenige Km weiter führt uns der wenig bekannte Pas del la Graille (1.597), dessen beeindruckendes Panorama sich durchaus mit höheren Pässen messen kann, in weiten Kehren durch lichten Lärchenwald talwärts zum kleinen Weiler Valbelle im Tal des Jabron. Von hieraus erreichen wir kurz darauf wieder La Motte du Caire.


Durch die „Gorges de Daluis“ und über den „Col de la Cayolle“

Über Sisteron, dem „Tor zur Provence“ (ab hier wird mit Öl und nicht mehr mit Butter gekocht), Digne-Les-Bains und auf der recht schmalen D 908 über den Col de la Colle-Saint-Michel (1.431) erreichen wir das kleine Bergdorf Méailles, am Rande eines imposanten Kalkfelsens hoch über Ufer der Vaire gelegen. Ein winziges Sträßchen führt uns zunächst über einige Kehren hinunter ins Tal, dann windet es sich eng am Hang wieder zum Dörfchen hinauf. Zeit für einen Kaffee. Der Wirtin der kleinen Bar im Ortskern ist ihr eigenes Mittagessen jedoch wichtiger, als der Durst von Motorrad- und Motorrollerfahrern. Es gibt nichts! Im nächsten Ort haben wir auch kein Glück. Soeben noch geöffnet, schließt die einzige Bar, gerade als wir die Motoren abstellen. Es ist eben „Sieste“.

Kurz vor der Daluis-Schlucht machen wir noch einen Abstecher nach Entrevaux. Die mittelalterliche Siedlung (880 Ew.) im Parc national du Mercantour am Fluss Var mit der Brücke aus dem 17. Jh. und der alles überragenden Zitadelle gehört zu den Festungsanlagen, die noch fast im Originalzustand erhalten sind. Das Stadttor von Entrevaux führt in die Altstadt und weiter zur hoch über dem Tal liegenden Festung. Auf Grund der mittlerweile herrschenden Temperaturen und des doch gewaltigen Höhenunterschieds ersparen wir uns jedoch den Aufstieg - wir sind ja Motorroller- und Motorradfahrer und keine Wanderer. Wir stärken uns noch etwas in einem kleinen Bistro, dann brechen wir zur Daluis auf. Zwischen Daluis und Guillaumes bildet die Var einen tief eingeschnittenen Canyon - die Schlucht Gorges de Daluis.

Auf teils überhängenden Trassen geht es 12 Kilometer durch ein einzigartiges Naturwunder. Über uns der tiefblaue Himmel der Provence, neben uns steil abfallende Felswände und unter uns das silberne Band der Var. Einfach grandios! Wenn das Sonnenlicht in den späten Nachmittagsstunden schräg einfällt, wirkt das intensive Dunkelrot des Schiefers, gesprenkelt von einigen grünen Farbtupfern, von besonders intensiv. Wir halten immer wieder an, um die herrliche Aussicht zu genießen. Hinter jeder Kurve scheint sich ein neuer Abgrund zu öffnen. Die Straße bohrt sich immer wieder durch schmale, kurze Tunnel und windet sich eng am roten Fels entlang. An einigen Stellen wird der Weg sogar zur Einbahnstraße, dann kurven wir direkt am Abgrund entlang. Spannend, aber nicht unbedingt zur Freude der besten Sozia der Welt.

Durch das immer enger werdende Tal geht es von Guillaumes durch den 230 Meter langen, unbeleuchteten Tunnel de Bramus - heute glücklicherweise frei von Radlern und Ziegen - nach Estenc. Wenige kmspäter folgen die ersten Serpentinen. Auf schmalem Teerband durchfahren wir ein von Nadelwald eingerahmtes, idyllisches Hochtal mit blühenden Wiesen. Was folgt ist eine Fahrt hart am Abgrund entlang bis zur Passhöhe des Col de la Cayolle (2.326), der lediglich durch einen kleinen Richtungsstein gekennzeichnet ist. Kurz vor dem Gipfel muss ich noch eine kleine Zwangspause einlegen. Die Kühlwasseranzeige steht auf rot - das Kühlwasser kocht!! Ich habe vor lauter Fahrspaß die zahlreichen Kehren wohl doch etwas zu stark angegast. Ein Motorschaden hier in der Wildnis – nicht auszudenken. Vom ADAC wäre hier oben wohl kaum Hilfe zu erwarten. Nach einem Viertelstündchen hat sich dann glücklicherweise wieder alles beruhigt und es geht weiter.

Die Abfahrt der Nordrampe schlängelt sich auf vielen Kehren und Kurven gemächlich durch die Bergwelt. Gelegentlich schrumpft die Straße auf nur eine Fahrspur zusammen; steile Felswände nähern sich bedrohlich, wenn wir imposante Felsüberhänge unterfahren. Das Hauptproblem der Abfahrt ist jedoch der allgegenwärtige Splitt. Tonnenweise wurde dieser auf den Flickenteppich der Teerdecke geschüttet, so dass immer wieder höchste Konzentration gefragt ist. Nur nicht im falschen Moment zu stark bremsen! Kurz vor Barcelonnette weitet sich das Tal dann wieder und die letzten Kilometer werden von langen Geraden dominiert.


Gorges de la Méouge und Gap

Westlich von Sisteron durchquert die D942 die Gorges de la Méouge. Die gemütliche Strecke auf dem Grund der Schlucht ist kurvenreich und durchquert gelegentlich einige kurze, in den Fels gehauene Tunnel. Wir genießen den Blick auf die von einstigen Gletschern zerfurchten Felsen über dem schäumenden Wasserlauf, einem Nebenflusses der Buëch. Diese Schlucht aus graubraunem Kalkgestein ist ein Naturschauspiel, wo sich vom Wasser fein polierte Felsen, kleine Sandbänke und Wasserfälle abwechseln. Leider hat das kleine Bistro unserer netten „Oma“ im winzigen Örtchen La Calandre, wo wir noch im vorigen Jahr mit Baguette, Käse und hausgemachter Salami verköstigt wurden, zwischenzeitlich geschlossen. Also kurz noch einen kleinen Aussichtspunkt hinauf, worüber die liebste Sozia der Welt wegen der engen, direkt am Abgrund ansteigenden Straße „not amused“ ist. Das herrliche Panorama über die Schlucht ist dann aber doch eine kleine Entschädigung hierfür.

Durch das Tal der Buëch, entlang unendlicher Apfelplantagen, geht es dann deutlich entspannter nach Gap, der Hauptstadt des Départements Hautes-Alpes. Gap liegt auf 725 m Höhe zwischen den Dauphiné-Alpen und den Voralpen und ist die höchstgelegene Hauptstadt eines französischen Départements. Der historische Stadtkern mit den engen, gewundenen Gassen lädt zum Bummeln ein. Besonders sehenswert sind die Balkone des Rathauses und die Kathedrale Notre-Dame-et Saint-Arnoux mit ihrem 77 m hohen Turm.


Grand Canyon der Verdon

Im Departement Alpes-de-Haute-Provence treffen wir auf eine großartige, wenn nicht sogar die spektakulärste, Schlucht Europas. Der bis zu 700 Meter tiefe - allein das Hinunterschauen kann eine leichte Übelkeit verursachen - Gorges du Verdon (Grand Canyon du Verdon), zählt zu den größten Canyons der Welt. 21 Kilometer phantastische Landschaft und einer der schönsten (Stau-)Seen Südfrankreichs, der türkisfarbene Lac de Sainte-Croix.

Die folgende kleine Episode soll nicht unerwähnt bleiben: Im idyllischen Ort Moustiers-Ste.-Marie droht mit der Sprit auszugehen. Also die nächste Tankstelle, eine Mischung aus Hinterhofwerkstatt und Schrottplatz, angefahren. Ich kippe die Siwi auf den Seitenständer, schraube den Tankdeckel ab - schon steht der Tankwart mit gezückter Tankpistole vor mir. Ich deute ihm an, dass ich die Siwi selber betanken möchte. Ein kurzes Zögern, eine abwehrende Handbewegung, ein barsches „ Au Revoir“ - es ergießt sich noch ein kurzer Redeschwall über uns, den wir auch ohne Französischkenntnisse verstehen und weg ist er. Ein Erlebnis der besonderen Art ! Zur Ehrenrettung der Franzosen muss an dieser Stelle allerdings auch gesagt werden, dass wir sonst nur gute Erfahrungen gemacht haben und die Menschen stets sehr freundlich waren.


Umzug nach Clamensane

Meine Frau und ich haben beschlossen, unseren Urlaub noch ein paar Tage zu verlängern. Leider ist in La Bâtie Neuve jedoch alles ausgebucht. Wir finden jedoch im Haus des Bürgermeisters des winzigen (Nachbar-)Örtchens Clamensane (155 Ew.), ca. 6 km entfernt, noch ein Zimmer und ziehen um. Das Zimmer ist frisch renoviert, die Vermieter sprechen sogar ein paar Worte deutsch - besser als wir französisch - und sind ausgesprochen freundlich. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl und nutzen den sonnigen Tag zu einer Erholungspause.


Im Herzen der Haute-Provence

Bereits nach wenigen km auf der D1 verengt sich das recht unberührte Vallée de la Sasse. Hinter dem auf einem Felssporn gelegenem Clamensane wird die Landschaft stetig karger und wilder. Von beiden Seiten schnüren die Felswände die Straße immer enger ein, die sich ihren Weg durch die plötzlich auftauchende schluchtartige Clue de Bayons bahnt. Eine erste Doppelkurve kündigt die Serpentinen Les Tourniquets an. Recht eng sind die Radien der Kehren; immer wieder geht der Blick nach oben, ob keiner herunterkommt. Ein kurzer Kurvenreigen führt uns schnell auf 1.000 m Höhe. Hochgebirgsgefühl kommt auf - Motorrollerfahren kann ja so schön sein. Nach der letzten Kehre wandelt sich die Landschaft dann völlig. Statt kahler Felsen liegen plötzlich Almwiesen vor uns und schon bald überwinden wir den Col des Sagnes (1.182) am Rande des Bergmassivs um die Grande Gautière (1.825). Hinter Turriers, das sich malerisch gegen die umliegenden Berge abhebt, wird die Straße merklich schlechter. Eine Symbiose von Buckelpiste und Flickenteppich. Langsam steigt die Straße zum Col des Garcinets (1.250) auf. Die Passhöhe selbst ist lediglich ein breiter Durchbruch im Felsgestein. Ein Passschild, ein kleiner Parkplatz, das war`s. Was folgt, ist eine Schutthalde, in die eine schmale, holperige Straße eingefräst wurde. Rechts die schwarz-graue, geschieferte Felswand; links am Abhang liegen der Schutt, der hin und wieder vom Berg rutscht und offenbar nur beiseite geschoben wird, um als Fahrbahnbegrenzung zu dienen. Auf der Fahrbahn liegen immer wieder Felsbrocken. Einsam ist es hier; da möchte man keine Panne haben. Nach einigen Kilometern lassen wir diesen unwirtlichen Teil hinter uns und es wird wieder etwas grüner. In Seyne folgen wir einem kurvenreichen Sträßchen zum Col du Fanget (1.459). Den schönsten Blick hat man hier nach Norden ins Blanche Tal über dem sich der Dormillouse (2.505) und die Montagne de la Blanche (2.739) erheben. Am Horizont die Berge des Gapencais und des Parpaillon-Massivs. Bei der Abfahrt gibt es wieder reichlich Splitt auf der Strecke; dafür wird die Landschaft immer beeindruckender. Gebirgsflüsse haben in die Felskämme aus Kalkstein tiefe Täler gegraben, die sich dann zu so genannten Clues verengen. Wir kurven durch die enge Clues de Verdaches mit ihren hoch aufragenden Steilwänden, durch die die Straße geschlagen wurde, dann folgt auch schon die malerische Clues de Barles, die sich wie ein dünner Riss durch die Felsen zieht. Eng drängt sich die Straße an den Fluss. Atemberaubend; diese Strecke ist unbedingt einen Abstecher wert!

In Digne-Les-Bains holt uns die Zivilisation dann wieder ein. Viele Autos, Lkw's, Lärm, Gestank, alles prallt wieder auf uns ein. Also schnell wieder runter von der Hauptstrasse. Über die schmale D3 im Tal der Bléone schwingen wir uns zügig den kleinen Col du Pas de Bonnet (886) hinauf. Die Strecke ist schmal, der Belag bis auf einige Unebenheiten gut. Kurz hinter dem mittelalterlichen Örtchen Thoard wird unsere Fahrt jäh unterbrochen. Schafe werden umgesiedelt. In Wellen ergießen sich hunderte von Tieren aus LKW`s auf die Straße. Es geht nicht mehr vor und zurück. Schafshirten und ihre Hunde versuchen, die Schafe auf eine nahe gelegene Weide zu treiben. Schließlich können wir unsere Fahrt vorsichtig fortsetzen. Auf dem dampfenden Asphalt liegt ein Belag wie Schmierseife. Sch….; aber dennoch war es ein imposantes Schauspiel.

Durch den Forêt de Fontbelle mit seinen dichten Nadelwäldern gelangen wir über den Col de l´Hysope (1.236) auf der schmale Route du Temps mit zahlreichen Haarnadelkurven zum Col de Fontbelle (1.304). Rundum öffnet sich die hochalpine Landschaft des Vallée Sauvage. In Authon machen wir einen kleinen Zwischenstopp. Zu schön ist das Panorama de Lebre. 5 Bergreihen liegen in leichtem Dunst vor uns. Unser Blick schweift über die Montagne de Mélan (1.708), Les Monges (2.115), den Géruen (1.880) und zahlreiche weitere Bergspitzen. Unter uns erstreckt sich das Tal des Riou de Jabron. Durch die enge Clou Défilé de Pierre-Écrite - die Schlucht des beschriebenen Steins; so genannt wegen einer römischen Inschrift an der Felswand - erreichen wir bald darauf Sisteron und unsere Pension.


Die Reise ins Ockerland

Frisch geteerte Nebenstrassen führen uns durch das Valle du Jabron südwestlich von Sisteron über eine sanfte Hügellandschaft durch eine fast menschenleere Gegend gen Westen. Zwischen kargen Feldern einige verstreute kleine Dörfer, verlassene Weiler und uralte Kapellen. Über den Col de la Pigière (968) und den Col de Macuègne (1.068) erreichen wir, in Sichtweite des Mont Ventoux (1.909), dem sog. „Riesen der Provence“, das (Kur-)Örtchen Montbrun-les-Bains, eines der schönsten Dörfer zwischen Sisteron und Avignon, dessen kleine Häuser wie Orgelpfeifen an den steilen Felshängen kleben.

In Sault, einem gemütlichen Ort auf einem Felsvorsprung mitten im - leider bereits abgeernteten - Lavendelland, legen wir am idyllischen Marktplatz unter knorrigen Kastanienbäumen eine kurze Rast ein und genießen einen Cafe au Lait bis - ja bis die ersten Kastanien von oben in den Tassen aufschlagen. Also weiter geht`s ! Tipp: Von Sault einen Abstecher durch dieGorges de la Nesque machen. Die Nesque, im Sommer nur ein kleines Bächlein, hat sich im Lauf der Zeit ein bis zu 300 m tiefes Tal gegraben. Die Schlucht gilt als einer der landschaftlichen Höhepunkte der Region.

Steineichen, Kiefern, Lärchen und beinahe undurchdringliches Unterholz begleitet uns auf unserer einsamen Fahrt durch das malerische Plateau de Vaucluse, eine in Ost-West-Richtung verlaufende Felskette, nach dem das gesamte Département benannt ist. Wir erreichen bald darauf die „gallische Akropolis“ Gordes. Die kleine Stadt thront wie ein Adlerhorst malerisch hoch über dem Tal des Calavon zwischen dem Vaucluse-Plateau und den Bergen des Lubéron. Schon von weitem erkennen wir das massive Chateau de Gordes, welches den Ortskern mit seinen engen Gassen und hohen, schmalen Häusern überragt. Gordes wird gerne als das kleine Paradies der Provence bezeichnet. Viele Künstler wie Chagall und de Chirico lebten einst hier. Der traumhafte Blick geht weit über das Tal. Die Landschaft hat sich völlig gewandelt. Unter uns Zypressen, Weinberge und die erdfarbenen Dächer uriger Bauernhöfe. Nirgendwo sonst zeigt sich die Provence derart vielfältig und farbenprächtig wie in dieser Region. Für einen Moment wähnt man sich nicht mehr in Frankreich sondern inmitten der Toskana.

Nur wenige Kilometer von Gordes entfernt, am Fuße des Luberon-Massivs, liegt das farbenprächtige Dörfchen Roussillon, von den Römern „vicus russulus“ - rotes Dorf - genannt und eines der „Plus beaux villages de France“. Die engen Gassen und schmalen, malerischen Häuschen mit ihren roten bis gelblichen Fassaden verleihen dem Ort, der sich harmonisch in die Landschaft einfügt, ein pittoreskes Ambiente. Roussillon liegt mitten im „Ockerland“ auf einem imposanten, steil abfallenden Ockerfelsen. In der Nachmittagssonne reicht das Farbenspiel der Sandsteinfelsen von feurigem Karmesin und grellem Safrangelb bis hin zu dunklem Violett und sattem Weinrot. Der Kontrast zwischen den unzähligen Nuancen des Ockertones, dem azurblauen Himmel und dem Grün der Bäume machen die Ockerfelsen von Roussillon zu einer einzigartigen Augenweide. Das wissen auch die mehr als 120.000 Besucher, die den Ort jährlich überschwemmen. Anfang Oktober ist hiervon jedoch glücklicherweise kaum etwas zu spüren.

Über Apt, der „Welthauptstadt der kandierten Früchte“, entlang der „Montagne du Luberon“ geht es dann auf alten Platanenalleen wieder zu unserer Unterkunft zurück.


Die „Prieuré de Ganagobie“

Die Abtei Notre Dame de Ganagobie, berühmt für die herrlichen Mosaike im Altarbereich der Klosterkirche, erhebt sich, umgeben von steilen Felsklippen, auf einem schmalen Plateau zwischen Manosque und Sisteron, hoch über der Durance. Das Benediktinerkloster wird noch heute von Mönchen bewohnt. Eine kleine Straße schlängelt sich durch einen duftenden Kiefernwald in zahlreichen Serpentinen bergauf zum Hochplateau.

Vom Parkplatz geht es erst einmal 2 km in Motorradklamotten durch die brennende Mittagssonne zum eigentlichen Kloster. In unseren Stiefeln dampft es. Überall fast undurchdringliche Maquis (Macchia), durchzogen von alten Pfaden. Ungewohnte Stille ringsum. Bald sehen wir das Kloster vor uns - dann die Enttäuschung: Besichtigung nur von 15.00 - 17.00 Uhr. Also bleibt uns notgedrungen nur die Außenansicht. Wir folgen links des Gotteshauses auf felsigem Grund der Allée des Moines an deren Ende, wenige Meter vom Abgrund entfernt, ein mächtiges weißes Holzkreuz gen Himmel ragt. Von hieraus genießen wir einen herrlichen Ausblick über das Tal der Durance, das Plateau von Valensole und die Préalpes des Dignes.

Am Nachmittag machen wir noch einen kleinen Ausflug nach Sisteron, der „Perle der Haute Provence“. Die Wahrzeichen Sisterons sind der riesige, bizarre Kalkfelsen Rocher de la Baume am Ufer der Durance und die gewaltige, alles überragende Zitadelle. Wir bummeln noch ein letztes Mal durch die malerische Altstadt der mittelalterlichen kleinen Stadt. Dann heißt es „Au revoir - Auf Wiedersehen Frankreich!“

Unterkunft/Essen: Motorradhotel “Maison Saint Georges” / F-04250 La Motte du Caire
Tourlänge: Tagestouren 200 - 330 km

Reisetipp von Ralf Beelitz


Motorradtour Alpes-de-Haute-Provence, Reise II

Das Ziel vor Augen - die Haute Provence

Um 17.00 Uhr starte ich mit dem Autoreisezug von Hildesheim in Richtung Avignon. Wie schon bei früheren Touren geht es wieder einmal mit Verspätung los. Über eine Stunde stehen wir auf dem kleinen Rangierbahnhof, ohne dass sich etwas bewegt. Na, dass kann ja nur besser werden.

Am frühen Morgen des folgenden Tages erreiche ich nach einer unruhigen Nacht Avignon. Die ersten 1.000 km sind geschafft. Bei strahlend blauem Himmel und 38° im Schatten wird die Siwi abgeladen, kurz getankt - ups! 14,4 L bei einem15 L Tank - dann bin ich schon auf der D 28 Richtung Osten unterwegs.

Von Venasque aus, das wie ein verwegenes Bergnest auf einem hohen Felsen über der Ebene von Carpentras liegt, führt eine schmale Straße, vorbei an zahlreichen Picknickplätzen, zum Col de Murs (627 m) hinauf. Gegen Mittag erreiche ich Murs, wo ich meine Freunde Karl-Heinz, Wolfram und Günni treffe. Diese haben sich mit ihren Mopeds 3 Tage durch die Schweiz hierher durchgeschlagen, um mich abzuholen. Oliven, Wein und Lavendel prägen auf unserem weiteren gemeinsamen Weg das Landschaftsbild. In hübschen, oft etwas verschlafen wirkenden Orten laden die Terrassen kleiner Bars zur Kaffeepause ein.

Am späten Nachmittag erreichen wir nach 160 km das Städtchen La Motte du Caire im idyllischen Vallee du Grand Vallon. Umgeben von Apfelplantagen liegt hier unsere Unterkunft Maison Saint Georges in einem Garten mit altem Baumbestand. Nach einer ausgiebigen Dusche klingen die letzten Stunden des Tages in geselliger Runde bei leckeren Lammsteaks und französischem Rotwein aus. Vive la France !


Kleine Pässe zum Einfahren (Tourlänge: 180 km)

Da Flachländer nicht genug von Kurven und Kehren bekommen können, bauen wir zwischen Sisteron und Serres im Pays du Buech schnell noch eine Schleife über die Berge und durch die Schluchten der Méouge ein. In schönsten Kurven schlängelt sich die Straße durch die kleine, reizvolle Schlucht. Der Belag ist griffig, die Sonne scheint. Im Weiler La Calandre gibt es bei einer kleinen, netten „Oma“ ein 2. Frühstück mit Baguette, Käse und hausgemachter Salami - Herz was begehrst du mehr.

Im winzigen Ort St. Auban an der Ouvèze, etwa 15 km flussaufwärts von dem mehr oder weniger bekannten Touristenort Buis-les-Baronnies entfernt, biegen wir zum Col de Perty (1.302m) ab. Die enge Straße führt als Buckelpiste durch eine liebliche, mediterrane Landschaft. Einige hundert Meter geht es geradeaus, dann wieder eine scharfe Kurve. So gelangten wir zum Pass. Herrliche alte Bäume am Straßenrand spenden Schatten und der Blick geht weit in die „Drôme Provencale und das wild zerfurchte Bergland unter uns. Durch Macchia, Busch- und Ginsterwälder erreichen wir über zahllose langgestreckte Schleifen den Ort Laborel. In zahlreichen Kurven schlängelt sich das Asphaltband durch das Tal ehe es dann recht steil den Col de Jean (1.182m) in Angriff nimmt. Von der Passhöhe haben wir eine schöne Aussicht auf das östlich gelegene Montagne de Chabre.


Zum Dach der Alpen (Tourlänge: 300 km)

Unser Weg führt uns heute an Europas größtem Stausee, dem Lac de Serre-Poncon vorbei. Entlang des Sees verläuft eine malerische Straße, die ihn fast in seiner Gesamtheit umrundet. Auf der kurvenreichen Strecke ergibt sich immer wieder eine romantische Aussicht auf versteckte Buchten, das tiefblaue Wasser und die Berge im Hintergrund.

In Jausiers beginnt der Anstieg zum Col de la Bonette (2.802 m), dem „Dach der Alpen“. Es geht durch ein paar Wiesen auf denen fröhliche Menschen picknicken. Einen harten Kontrast zu diesem friedlichen Bild bildet die Bergwand, auf die wir zufahren. Schnell verschwinden grüne Wälder und Berghänge und machen grauem, blanken Fels Platz. Vorbei an einer alten Festungsanlage geht es immer weiter hinauf. Der Zustand der Straße wechselt ständig von breit nach schmal, von gut ausgebaut nach holperig. Kurz vor der Passhöhe wird die Straße flacher und führt in einem weiten Bogen auf den Pass und den Cime de la Bonette hinauf. Gespenstisch hängen Bunker neben der Straße im Berg: Die Gegend war ein lange umkämpftes Grenzgebiet zu Italien. Endlich ist der Pass erreicht. Pyramidenartig und schwarz thront der Berggipfel über all den Roller- u. Motorradfahrern, Wohnmobilen, Autos und Radfahrern. Am höchsten Punkt der Straße dann der Stein für das Gipfelfoto. Von hieraus haben wir einen sagenhaften Rundumblick über den Nationalpark „Parc National du Mercantour.

Unsere Abfahrt wird immer wieder von kurzen Stopps unterbrochen. Die Aussicht ist einfach zu schön. Wir durchfahren die Reste eines kleinen, bis 1913 von Soldaten bewohnten Dorfes. Leer und zerfallen stehen die Gebäude zwischen den hohen Bergen, von denen aus sie von allen Seiten beschossen wurden. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich.

Der Wintersportort Isola 2000 im Tal der Tinée, welches durch seine steilen, weinroten Felswände zu beeindrucken weiß, ist Ausgangspunkt für den Anstieg auf den Col de la Lombarde (2.350 m), der die Täler der Stura di Demonte auf italienischer und der Tinée auf französischer Seite verbindet. Die Anfahrt zum Lombarde ist gekennzeichnet von unzähligen Kehren. Nachdem wir die ersten steilen, kurvenreichen Kilometer im schluchtartigen Tal überwunden haben, öffnet sich dieses immer mehr und wir erreichen ein karges Almgebiet. Die Landschaft ist ein Hochgenuss der steinigen Art: Fels; Geröll in allen Farben und rundum schroffen Berge. Nur kurz ist unsere Rast an einem kleinen Imbisswagen, der einsam auf der Passhöhe steht. Der böige Wind hier oben ist einfach zu kalt.

Auf der Abfahrt durchfahren wir bei bis zu 14 % Gefälle immer wieder schöne Serpentinengruppen, so dass nie Langeweile aufkommt. Die durchweg gut asphaltierte Straße folgt auf den nächsten Kilometern der St. Anna, einem wild romantischen Bach, der aus dem Lago di St.Anna, oberhalb des Klosters Santuario di Sant'Anna - übrigens das höchste Kloster Europas - gelegen, gespeist wird. Nach 12 weiteren Serpentinen erreichen wir das italienische Vinadio. Von hier aus geht es über den Col de Larche (1.948 m), einem recht unspektakulären Alpenpass, eingebettet zwischen den mächtigen Gipfeln des Tête de Moise (3.104 m) im Norden und dem Tête de l'Enchastraye im Süden, durch das Tal der Ubaye zurück nach La Motte du Caire.


Grand Canyon du Verdon (Tourlänge 300 km)

Eine der spektakulärsten Schluchten Europas befindet sich im Département Alpes-de-Haute-Provence. Der bis zu 700 Meter tiefe - allein das Hinunterschauen kann eine leichte Übelkeit verursachen - „Gorges du Verdon“ (Grand Canyon du Verdon), zählt zu den größten Canyons der Welt. Die Schlucht beginnt nahe der Stadt Castellane und endet nach 21 Kilometern grandioser Landschaft am türkisfarbenen Lac de Sainte-Croix, einem der schönsten (Stau-)Seen Südfrankreichs. Von hieraus starten wir auf der Routes des Cretes durch den kurvenreichen Canyon. Der Gorges du Verdon ist eine durch und durch imposante Schlucht; das wissen leider dank der zahlreichen Reiseführer viele. Wir sind dort auch dementsprechend nicht die einzigen Besucher. An den Felswänden kleben die Kletterfreaks, andere Wagemutige stürzen sich am Pont de l’Artuby mit dem Bungee-Seil 182 Meter in die Tiefe. Die Straße am Steilhang des Canyon entlang ist dennoch ein einziger Traum. Dass wir bei der folgenden Runde auf der Höhenstraße um den Grand Canyon du Verdon oft anhalten, verwundert kaum: die Aus- und Einblicke in die Tiefen der großartigen Schlucht sind einfach zu faszinierend. Von den zahlreichen Aussichtpunkten erschließen sich uns immer wieder grandiose Panoramen. Das gesamte Gebiet entlang des Verdon, besonders jedoch einige Teilabschnitte der Schlucht und die mediterrane Landschaft der Umgebung sind im Licht der Provence von einer solcher Schönheit, dass die Region zu einer der meistfotografierten und gemalten gehört.

Am westlichen Ende der Schlucht liegt der kleine Weiler Aiguines. Die Abfahrt von diesem Ort hinunter zum See ist höllisch gefährlich. Dies liegt nicht an der Straße, die sehr gut zu fahren ist, sondern daran, dass unser Blick immer wieder an der Straße vorbei auf das in tiefem Blau schimmernde Wasser des Stausees fällt.


Hohe Berge und die Gorges de Daluis (Tourlänge 330 km)

Schon im Ort Barcelonnette weisen Schilder auf die umliegenden Pässe hin. Es ist daher nicht sehr schwer auf die D902 in Richtung Col d'Allos (2.247 m) zu gelangen. Nach etwa 2 Km zweigt die Zufahrt zum Allos ab und beginnt am Hang entlang Höhe zu gewinnen. Zunächst ist die Straße noch relativ breit, Autos sind selten. Wir überqueren ein kleines Viadukt und die Straße zwischen Kiefern, Büschen und Felsen verengt sich allmählich auf wenige Meter. Unverhofft biegt die kleine Straße rechts ab und eröffnet den Blick ins Seitental von Malune, welches vom hellen Felsen des 2.900 m hohen Grand Séolane überragt wird. Nach der Umkurvung des ausladenden Seitentals bietet sich uns ein fantastischer Blick auf den gegenüberliegenden tiefen Einschnitt der Gorges du Bachelard (Bachelard-Tal). Das Sträßchen zum Allos klettert noch ein wenig weiter den Hang hinauf und der dünner werdende Baumbestand bestätigt: weit kann es nicht mehr sein! Und dann haben wir sie erreicht - die grüne Passhöhe mit ihren ein oder zwei Fress- bzw. Souvenirbuden.

Nach wenigen Kilometern und einigen weiteren engen Kehren erreichen wir La Foux, einen idyllischen kleinen Weiler mit Kirche und einigen Häusern. Hinter der nächsten Kurve bekommen wir dann das totale Kontrastprogramm geboten: La Foux d'Allos, ein Retortenort aus Betonbunkern, einer hässlicher als der andere. Verstärkt wird dieser Eindruck leider noch durch die zahlreichen Liftanlagen, die sich über die Hänge ziehen.

Über die Örtchen Colmars und Thorame-Haute schwingen wir uns, immer am Fluss Verdon entlang, über die z. T. recht schmale D 908 zum Col de la Colle-Saint-Michel (1.431 m) hinauf. Charakteristisch für den Pass sind seine üppigen Almwiesen und Schluchten aus Kalkgestein. Wir durchfahren das Vaire-Tal mit seinem Kontrast zwischen bewaldeten Berghängen und kahlen Felsen.

Mein Tipp: Unbedingt einen Abstecher zum Bergdorf Méailles, am Rande eines imposanten Kalkfelsens über dem linken Ufer der Vaire gelegen, machen. Von der Hauptstraße führt ein winziges Sträßchen über 4 Kehren zunächst hinunter zum Talboden, windet sich dann zum Dörfchen hinauf und führt anschließend über weitere 9 Kehren an der Westflanke des Tales wieder zur D 908.

Kurz hinter Annot - der Ort ist zwar keine Touristenattraktion, aber der alte Ortskern ist dennoch sehenswert - biegen wir auf die D 2202 nach Daluis ab. Das Tal der Var bildet zwischen Daluis und Guillaumes einen tief eingeschnittenen Canyon - die Schlucht Gorges de Daluis.

Der Streckenverlauf auf der knapp 12 Kilometer langen, teilweise auf überhängenden Trassen verlaufenden Route durch die Gorges de Daluis, ist schlichtweg atemberaubend. Die Tiefe der Schlucht, die Höhe der Bergkuppen rings herum sowie der Blick auf schwindelerregende Serpentinen geben reichlich Adrenalinstösse. Besonders jetzt, in den späten Nachmittagsstunden, wenn das Sonnenlicht schräg einfällt, ist das intensive Dunkelrot des Schiefers, gepaart mit einigen grünen Farbtupfern, von bezaubernder Schönheit. Dazu der strahlend blaue Himmel der Provence und immer wieder herrliche und tiefe Blicke entlang der fast senkrecht abfallenden Felswände in die Schlucht. Spätestens jetzt wissen wir, warum wir nach Südfrankreich wollten.

Von Guillaumes geht es zunächst das immer enger werdende Tal der Var hinauf bis nach Entraunes, einem eher unscheinbaren Örtchen. Nach wenigen Kilometern durchfahren wir den 230 Meter langen, unbeleuchteten Tunnel de Bramus. Hoffentlich kommt jetzt kein Radler entgegengeschossen! Kurz darauf folgen die ersten Serpentinen. Im Anschluss schlängelt sich die Straße am Hang entlang oberhalb des mittlerweile recht tief eingeschnittenen Tals weiter empor. Zwei kurze Tunnel, eine Brücke und einige weitere Serpentinen lockern den weiteren Anstieg auf, bis wir schließlich Estenc erreicht. Weiter geht es durch ein traumhaft idyllisches Hochtal mit blühenden Wiesen, eingerahmt von Nadelwald und einem Ring aus Felsen. Glücklicherweise begegnen wir so gut wie keinem Auto, denn bei der Kulisse fällt uns schwer, den Blick auf das schmale Asphaltband vor uns zu lenken. Am Ende des Hochtals, als die blühenden Wiesen hinter uns zurückbleiben, stellt sich unweigerlich die Frage, wie denn eigentlich die Straße aus diesem Felsenkessel herauskommen will. Die Antwort folgt nach einer Linkskehre und der Durchfahrt durch mehrere kleine Tunnel. Mit der Aussicht auf die letzten zwei- oder dreihundert serpentinenartigen Höhenmeter geht es nun hart am Abgrund entlang bis zur eher unscheinbaren Passhöhe des Col de la Cayolle (2.326 m). Die Passhöhe bietet lediglich einen kleinen Richtungsstein und einen Parkplatz.

Der Weg nach unten kommt weniger knackig daher als die Auffahrt über die Südrampe. Die Straße schlängelt sich auf vielen Kehren und Kurven gemächlich durch die Bergwelt. Die Straßenbreite schrumpft jedoch gelegentlich für mehrere Kilometer auf nur eine Fahrspur zusammen An der rechten Seite reicht dann die oft senkrechte Felswand bis an die Straße, auf der linken Seite schützt uns nur eine winzige Mauer oder eine Leitplanke vor dem Abgrund. Mehrere Male unterfahren wir imposante, Respekt einflössende Felsüberhänge. Schließlich weitet sich die Schlucht wieder; die letzten Kilometer bis ins Tal werden von langen Geraden dominiert und die Zivilisation rückt merklich näher, bis wir in Barcelonnette schließlich das Ende der Abfahrt erreicht haben.


Marktbesuch und Bummdel duch Sisteron (Tourlänge 120 km)

Es ist schwül geworden; das Thermometer zeigt 36 Grad. Ein Ruhetag angesagt. Gelegenheit für mich, den Markt in Laragne-Monteglin zu besuchen. Den sollte man sich nicht entgehen lassen. Das bunte Treiben zieht sich über viele Plätze und durch einige Gassen der Altstadt. Es gibt von allem etwas, viele Dinge des täglichen Gebrauchs, aber auch reichlich von dem, was man nicht braucht.

Gegen Mittag statte ich noch dem Städtchen Sisteron, der „Pforte zur Provence“, einen Besuch ab. Eine der Hauptattraktionen der Stadt ist die Zitadelle. Von dort hat man einen phantastischen Blick auf die Stadt, die beiden Flüsse Durance und Buech sowie auf die umliegenden mächtigen Felsmassive. Unterhalb der Zitadelle liegt die Altstadt von Sisteron mit ihren engen Gassen und steilen Treppen. Schön sind die dreischiffige, dunkle Kathedrale und der Uhrturm mit provenzalischem Glockenkäfig. Vier Rundtürme sind übrig gebliebene Zeugen der mittelalterlichen Stadtbefestigung. 


Abschlussrunde (Tourlänge: 200 km)

Zum Ausklang unserer Reise machen wir noch einen Abstecher ins Hinterland von La Motte.

Über die Serpentinen Les Tourniquets, nur wenige km von La Motte du Caire entfernt, wedeln wir noch einmal durch eine grandiose Landschaft, wobei die Bitumenflicken der kleinen Nebenstrassen leider oftmals die akute Gefahr eines Bandscheibenvorfalls heraufbeschwören. Unterwegs kehren wir noch einmal in einem kleinen Dorf abseits aller Touristenpfade in einem urigen Restaurant ein und lassen uns das Tagesmenü schmecken: Salat mit Serranoschinken, gebratene Ente, Käse, Eis und einen starken, schwarzen Kaffee. Genuss mit allen Sinnen.


Durch die Gorges de la Nesque nach Avignon

Alles geht einmal zu Ende. Mein Ziel heute wieder Avignon. Noch einmal genieße ich Kurven und Landschaft pur. Nebenstraßen führen mich durch eine fast menschenleere Gegend aus sanftgrünen Hügeln, alpiner Berglandschaft und rustikalen Natursteindörfchen - eine charmante Fahrt durch südfranzösische Lebensart und Kultur. Ich fahre über Sisteron durch das Vallee du Jarbon, erklimme so ganz nebenbei den Col de la Pigière (968 m) und den Col de Macuègne (1.068 m) und erreiche Montbrun-les-Bains. Die eng aneinander an einer Felswand errichteten Häuser erinnern an eine Orgel, deren Pfeifen sich gen Himmel recken. Noch ein Foto von dem schönen alten Thermalbad, dann durchfahre ich auch schon Sault. Der Ort liegt auf einem Felsvorsprung im Herzen des Plateau de Vaucluse, mitten im Lavendelland. Es ist die Zeit der „Fête de Lavende“. Leider sind schon alle Felder abgeerntet; sie verströmen aber immer noch ihren herben, intensiven Lavendelduft. Da es noch recht früh am Morgen ist, gehe ich nochmals auf Tour, schwinge durch die Gorges de la Nesque hinunter in die Rhône-Ebene. Die Nesque, im Sommer nur ein kleines Bächlein, hat sich im Lauf der Zeit ein bis zu 300 m tiefes Tal gegraben. Die Schlucht liegt nicht weit südöstlich des Mont Ventoux (1.909 m) und gilt neben diesem als landschaftlicher Höhepunkt der Region. Schöne, weiche Kurven ziehen sich entlang der Schlucht, der Asphalt ist griffig, die Landschaft hat einen herben Charme und immer wieder gibt es reizvolle Blicke auf den Mont Ventoux. Spektakulär sind auch die kurzen Naturtunnel, die glücklicherweise nicht allzu gefährlich sind. Wer mit dem Motorroller durch die Provence fährt und diese Straße nicht mitnimmt, hat etwas verpasst.

Am frühen Nachmittag erreiche ich Avignon. Zeit genug, mir noch die „Stadt der Päpste“ an der Rhône anzusehen. Die Altstadt mit ihren prächtigen, mittelalterlichen Häusern wird von dem wuchtigen, wehrhaften Papstpalast dominiert und ist von einer intakten, imposanten Befestigungsmauer umgeben. Sie zählt ebenso wie die berühmte steinerne Brücke Pont St. Bénézet zum UNESCO-Weltkulturerbe. Noch ein letztes Baguette gegessen, ein wehmütiger Blick zurück, dann geht es Verladeterminal des Autoreisezugs. Die Heimat ruft - ganz, ganz leise.

Unterkunft/Essen: Motorradhotel “Maison Saint Georges” / F-04250 La Motte du Caire
Tourlänge: Tagestouren 150 - 330 km

Reisetipp von Ralf Beelitz